Noch vor Weihnachten erreichte uns die erfreuliche Nachricht, dass die Hausverbote des FC Schalke 04 für einen Großteil der aktiven Dortmunder Fanszene endlich „mit sofortiger Wirkung und ohne Auflagen” aufgehoben werden. Diese juristisch fragwürdigen Betretungsverbote für die Schalker Vereinsanlagen wurden zu Beginn des Jahres 2014 ausgesprochen und in der Presse oft fälschlicherweise als Reaktion auf tumultartige Szenen und den großflächigen Einsatz von Pyrotechnik im Gästeblock vor dem Revierderby am 26.10.2013 tituliert. Ursächlich für diese Hausverbote war schließlich mitnichten eine nachgewiesene Beteiligung an den Ausschreitungen im Stadion, sondern schlichtweg die Aufnahme der Personalien während der Anreise nach Gelsenkirchen.

Am Bahnhof Essen-West wollte eine rund 500-köpfige Gruppe BVB-Fans aus einer defekten S-Bahn in einen anderen Zug einsteigen, um pünktlich den Spielort zu erreichen. Aufgrund der unübersichtlichen Situation und vermeintlicher Überquerung des Gleisbereichs durch einige Fans ordnete die Bundespolizei die Feststellung der Personalien der Reisegruppe an. Nach Abschluss der Maßnahme orderte die Bundespolizei Sonderbusse, um die Fans direkt zum Stadion zu eskortieren. Die Polizei erklärte im Nachhinein, dass es keinen „ausreichenden und personell klar zuzuordnenden Tatgrund” für eine längerfristige Ingewahrsamnahme gegeben hätte. Wer weiß, wie penibel und oft vorschnell Fanverhalten am Spieltag sanktioniert wird und für welche Lappalien Fans auf Spielbesuche verzichten müssen, kann erahnen, wie geduldig und kooperativ sich die Gruppe während der Polizeimaßnahme verhalten haben muss.
Nichtsdestotrotz erhielten alle Kontrollierten im Januar 2014 ein Einschreiben, mit dem das Hausverbot des FC Schalke bis zum Juni 2019, also fast sechs (!) Jahre lang, zugestellt wurde.

Das Vorgehen der Sicherheitsbehörden und der beteiligten Fußballvereine ist auf mehreren Ebenen zu kritisieren: Es entbehrt jeder Grundlage, dass einem Fußballverein, also einem privatwirtschaftlichen Akteur, die kompletten Datensätze inklusive Name und Adresse von 500 Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt werden. Diese illegal bereitgestellten Datensätze werden darüber hinaus dann fast vier Monate nach den Ereignissen in Gelsenkirchen dazu genutzt, Sanktionen gegen eine hohe dreistellige Anzahl Fans auszusprechen, denen man bisher keine Tatbeteiligung nachweisen konnte. Auch die Länge der Kollektivstrafe steht in keinem Verhältnis zu dem Vergehen, das die Feststellung der Personalien ausgelöst hat.

Die Fanhilfe Dortmund begrüßt die überfällige Zurücknahme der Hausverbote und bedankt sich für die Hartnäckigkeit der betroffenen Personen und ihre Bereitschaft, den oftmals beschwerlichen Weg durch die Institutionen zu gehen. Denn erst der Weg vor das Gericht zeigte, dass die Mehrheit der Verbote auch rechtlich keinen Bestand hatten, weshalb sich der FC Schalke letztlich auf einen Vergleich einigen musste, der den Kreis aller Betroffenen umfasste.

Doch einmal mehr müssen wir leider konstatieren, dass die Mühlen des Rechtsstaates langsam mahlen und die Exekutive versucht, legitime juristische Anliegen zu verschleppen und die Antragsteller durch die Trägheit des Verfahrens zu zermürben. Zusätzlich müssen wir feststellen, dass zivilrechtliche Maßnahmen („Hausrecht”) als Ersatzstrafrecht genutzt werden, da die Täter trotz angeblich modernster Überwachungsmöglichkeiten nicht identifiziert werden konnten.

Die Fanhilfe Dortmund lehnt Kollektivstrafen ab und erinnert daran, dass die Grundrechte – insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – auch für Fußballfans gelten.