Nach detaillierter Auswertung der annähernd 60 schriftlichen, sowie zahlreichen telefonischen Rückmeldungen und Einsendungen von Bild– und Videomaterial stellen sich die Geschehnisse im Gästeblock der Alten Försterei am Samstag, unsere erste Einschätzung bestätigend, wie folgt dar:

Nachdem es an der rechtseitig im Gästeblock befindlichen Treppe (dem einzig verfügbaren Dachabstieg, den zu dieser Zeit Anhänger der Heimmannschaft für ihren Abstieg vom Dach nach Durchführung einer Choreografie nutzen wollten), als auch an der Abtrennung von Gäste- und Heimblock, zu wechselseitigen (verbalen) Provokationen zwischen Anhängern der beider Vereine kam, entschied sich die Polizei jene Provokationen allein im Gästeblock zu unterbinden. Hierbei wurde sowohl an der Stelle des Abgangs vom Dach als auch an der Abtrennung zum Heimblock großzügig und völlig undifferenziert auf den Einsatz von Pfefferspray gesetzt.

Keine der uns zahlreich erreichenden Schilderungen bestätigt die Aussage des Polizeiberichts vom 01.09.2019, wonach die Polizei eine Person zu diesem Zeitpunkt festgenommen oder in Gewahrsam genommen hatte und dass diese befreit werden sollte. Vielmehr berichten Betroffene davon, dass plötzlich, nicht vorhersehbar und unangekündigt der obere Bereich des Gästeblocks in einer großen Wolke von Pfefferspray versank und dies zu panischen Reaktionen führte. Die Vermutung liegt somit nahe, dass einige Einsatzkräfte in der Situation mit übertriebener Härte und gegen (überwiegend) Unbeteiligte vorgingen, indem sie mit offensichtlich reichweitenstarken Reizstoffsprühgeräten ohne Vorankündigung und wenig zielgerichtet das Zwangsmittel „Pfefferspray“ in diesem Bereich des Gästeblocks einsetzen. 

Unter den zahlreichen betroffenen Personen, deren ausführliche Augenzeugenberichte uns vorliegen, befanden sich unter anderem Rentner, erkennbar gesundheitlich, insbesondere atemwegsbeeinträchtigte Personen, ebenso wie Familien und Väter mit Kindern. Zudem waren, nach den uns vorliegenden Schilderungen, für die nach dem Pfeffersprayeinsatz schnell nach Hilfe suchenden keine Person des Sanitätsdienstes im oder am Block anwesend, sodass sich die Fans gegenseitig helfen mussten. Teilweise wird sogar berichtet, ein Ausgang aus dem Gästeblock sei – auf welcher rechtlichen Grundlage, ist nicht geklärt worden – von der Polizei verschlossen worden.

Nach der ersten rechtlichen Bewertung, basierend auf den uns erreichenden Rückmeldungen, stellt sich der Polizeieinsatz auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften für die Anwendung des Zwangsmittels Pfefferspray als unverhältnismäßig und somit rechtswidrig dar.

Die einschlägigen Vorschriften, insbesondere sei auf das unmittelbare Zwangsgesetz sowie die entsprechende Durchführungsverordnung  verwiesen, sehen vor, dass immer das mildeste der zur Verfügung stehenden Mittel angewandt werden muss. Ebenfalls geregelt ist, dass, sollte der Einsatz von polizeilichem Reizstoff getätigt worden sein, unmittelbar Hilfe zu leisten ist.

Wir erlauben uns, der Vollständigkeit halber, die einschlägigen Vorschriften auszugsweise zu zitieren:

§ 1

Zulässigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwanges

(1) Die Vollzugsbeamten des Landes Berlin dürfen in rechtmäßiger Ausübung ihres Dienstes unmittelbaren Zwang anwenden, soweit die Anwendung gesetzlich, insbesondere durch § 8 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 21. April 2016 (GVBl. S. 218) in der jeweils geltenden Fassung, zugelassen ist. (…)

§ 4

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges sind von den möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen. Jede
Maßnahme darf nur so lange und so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert.

(2) Eine Maßnahme des unmittelbaren Zwanges darf nicht durchgeführt werden, wenn der durch sie zu erwartende Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

§ 5

Hilfeleistung für Verletzte

Den bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges Verletzten ist Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen, sobald es die Lage zuläßt.

Auszug aus dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges
bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin
(UZwG Bln)

Wir sind zuversichtlich, dass die zahlreichen, im Gästeblock vorhandenen und vorgeschriebenen hochauflösenden Videokameras hier zur weiteren Sachverhaltsaufklärung beitragen werden. Da mindestens einer der Betroffenen angibt, gleich vor Ort Strafanzeige erstattet zu haben, gehen wir davon aus, dass die Beweismittel eine zeitnahe behördliche Sicherung der Beweismittel nicht durch technische Defekte verhindert wird.

Diese Sachverhalte muss einer möglichst umfassenden rechtlichen Aufarbeitung, notfalls auch gerichtlich, zugeführt werden. Allen hieran Interessierten stehen wir mit den Mitteln der Fanhilfe zur Verfügung.